Berufsunfähigkeitsrente trotz neuer Arbeitsstelle?
Neuere Berufsunfähigkeitsversicherungen sehen bei Eintritt der Berufsunfähigkeit in der Regel keine abstrakte, sondern nur noch eine konkrete Verweisungsmöglichkeit vor. Das heißt, der Versicherer prüft nicht, ob der Versicherte mit seinem Krankheitsbild theoretisch noch eine andere Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt ausüben könnte. Er prüft allein, ob der Versicherte tatsächlich eine neue Stelle hat und ob diese so mit der alten, versicherten Tätigkeit vergleichbar ist, dass er den Versicherten darauf verweisen und die Leistung einstellen kann (Nachprüfungsverfahren).
Die Kriterien für diesen Vergleich sind, ob der Versicherte auf Kenntnisse aus seiner Ausbildung und bisherigen Berufserfahrung zurückgreifen kann und ob die neue Arbeitsstelle seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.
Hinsichtlich der Frage nach der Vergleichbarkeit der Lebensstellung sehen sich Versicherer gerne nur den Lohn an. Verdient der Versicherte mehr, wird er auf die neue Tätigkeit verwiesen und die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente gestoppt.
In dieser pauschalen Anwendung ist dies nicht richtig, wie der BGH herausstellt (u. a. Urt. v. 20.10.2017, IV ZR 11/16).
Verwiesen werden darf erst dann, wenn die neue Tätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer sozialen Wertschätzung nicht deutlich unter das Niveau der bisherigen Arbeitsstelle sinkt.
Die Höhe der Vergütung ist also nur ein Prüfungspunkt von mehreren, auf den nicht allein abgestellt werden darf.
Unter Verweis auf diese Rechtsprechung haben wir aktuell erreicht, dass eine Mandantin, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in ihrem bisherigen Beruf als Krankenpflegerin arbeiten kann ihre Berufsunfähigkeitsrente weiterhin erhält, obwohl sie wieder im Krankenhaus beschäftigt ist und in etwa gleich viel verdient. Entscheidend war hier, dass sie in anderen Bereichen tätig ist, die nicht ein solches soziales Prestige haben wie der Beruf des Krankenpflegers. Zudem vollbringt sie den typischen Dienst einer Krankenpflegerin, nämlich die Patientenversorgung, nicht mehr.