Rechte der Versicherung am Bsp. der Berufsunfähigkeitsversicherung
Im letzten Beitrag ging es um das Risiko der falschen Beantwortung der Gesundheitsfragen bei der Beantragung eines Berufsunfähigkeitsversicherungsschutzes.
Gefahrerheblichkeit
Man muss dabei alle sog. gefahrerheblichen Umstände angeben. Das ist grundsätzlich alles, wonach explizit gefragt wird. Glücklicherweise vertreten Gerichte jedoch immer wieder eine lebensnähere Einstellung. So hieß es im Fall des Lebensmittelgeschäftsinhabers (OLG Köln, Urt. v. 30.09.11, 20 U 43/11) aus unserem letzten Beitrag, dass eine jeweils einmalige Krankschreibung wegen Rückenbeschwerden und wegen einer Sehnenscheidenentzündung von nur einigen Tagen, die auch länger zurücklagen, nicht gefahrerheblich gewesen seien. Das OLG Köln wertete diese Umstände also als nicht erheblich für die Entscheidung des Versicherers, ob er das Risiko, den Betroffenen gegen eine mögliche Berufsunfähigkeit zu versichern, übernehmen wollte.
Mithin hatte der Lebensmittelgeschäftsinhaber schon gar keine Pflicht zur Angabe, gegen die er hätte verstoßen können. Wird ein solcher Pflichtenverstoß jedoch festgestellt, stehen der Versicherung verschiedene Rechte zu.
Rücktritts- und Kündigungsrecht
Hat der Versicherungsnehmer (VN) vorsätzlich oder grob fahrlässig seine Anzeigepflicht verletzt, darf die Versicherung vom Vertrag zurücktreten. Dies kann der VN verhindern, wenn er beweisen kann, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat. Dies ist bspw. einem VN gelungen, der wegen Schlafstörungen einen Arzt aufsuchte. Der Arzt hatte eine Diagnose gestellt, diese jedoch dem VN nicht mitgeteilt und ihm nur Schlafmittel verordnet. Das entscheidende Gericht ging daher davon aus, dass der VN jedenfalls nicht vorsätzlich die Frage nach einer Behandlung psychischer Leiden in der Vergangenheit verneint hatte (KG, Beschl. v. 08.04.05, 6 U 5/05).
Kann dem VN nur grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden und kein Vorsatz, darf der Versicherer nicht zurücktreten und auch nicht kündigen, wenn er bei korrekter Beantwortung den Vertrag trotzdem, nur zu anderen Bedingungen, abgeschlossen hätte. Rückwirkend kann dann z. B. die Versicherung der Berufsunfähigkeit aufgrund psychischer Beschwerden ausgeschlossen werden.
Kann dem VN nur einfache Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, kann die Versicherung den Vertrag nur kündigen. Damit bleibt sie für den bereits eingetretenen Versicherungsfall leistungspflichtig.
Weder Rücktritts- noch Kündigungsrecht stehen dem Versicherer zu, wenn er auf seine Rechte nicht ausreichend in Textform hingewiesen hatte. Dies ist außerdem der Fall, wenn er wusste, dass die Gesundheitsfragen falsch beantwortet worden sind. Dazu kommt es, wenn der VN den Vertrag mit einem Versicherungsvertreter (nicht Makler) abgeschlossen und diesem seine Beschwerden genannt hatte.
Besteht ein Rücktrittsrecht der Versicherung und ist dem VN maximal Vorsatz vorzuwerfen, muss die Versicherung trotzdem leisten, wenn der Grund für die Berufsunfähigkeit nichts zu tun hat mit den nicht angegebenen Beschwerden.
Anfechtungsrecht
Dieser Vorteil steht dem VN dagegen nicht zu, wenn die Versicherung ihm arglistiges Verhalten nachweisen kann und deshalb den Vertrag anfechten darf. Arglist liegt vor, wenn der VN bewusst die Gesundheitsfragen falsch beantwortet und er zumindest in Kauf genommen hat, dass die Versicherung den Vertrag bei Kenntnis der wahren Umstände nicht oder nur zu anderen Bedingungen geschlossen hätte.
Wenn Ihre Versicherung vom Vertrag zurückgetreten ist oder ihn angefochten hat, sollten Sie sich an einen Fachanwalt für Versicherungsrecht wenden, der Ihnen durch das hier nur in der gebotenen Kürze skizzierte komplexe Dickicht hilft.